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12.02.2003     Aufbruch zum Machame Camp (2290m)/ Märchenwald und Wolkenbruch

Vorbei an Chagga-Dörfern und endlich am Gate

Keiner von uns beiden bedurfte an diesem Morgen eines Weckers. Nach ungeduldig-unruhiger Nacht nahmen wir ein kurzes Frühstück, trugen unsere Packsäcke in die Lobby und warteten auf unseren Bergführer. Gegen 8 stand er vor uns, Clemence! Nicht mehr ganz jung an Jahren, vielleicht so Ende 40, aber eine wahre Frohnatur. Mit ihm der Fahrer der Agentur. Wir verluden unsere Habseligkeiten in den Geländewagen und auf ging es gen Moshi, zum Kilimanjaro. Wir waren hin und hergerissen – einerseits waren wir bemüht, Clemence all seine Neugier über seine ihm für die nächsten 8 Tage anvertrauten Gäste zu befriedigen. Es gelang ihm auch umgehend, mir mein kleines Geheimnis zu entlocken – ein Doctor! Bis zum Ende der Reise war ich nun dazu verurteilt, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit bei meinem zwar mühsam erkämpften, aber hier doch nun wirklich unwesentlichen Titel gerufen zu werden… Andererseits konnten wir uns nicht losreisen von der vorbeifliegenden, sich langsam verändernden Landschaft. Wir tauchten ein in den grünen Gürtel am Fuß des Kibo. Einen kurzen Stop in einem der Chagga-Dörfer nutzte Clemence für einen letzten Einkauf, und wir konnten einen kleinen Einblick in das Leben dieser ‚Ureinwohner’ des Kibo ergattern. Wie aus dem Nichts tauchen ihre Dörfer aus dem dichten Grün auf. Geschickt nutzen sie das wenige (ofiiziell) nutzbare Land für ihre Landwirtschaft nach dem Etagenprinzip. Bananenstauden, Kaffee und Gemüse gedeihen reichlich. Ein bescheidener Wohlstand wohl auch durch die Verdienste aus ihrer harten Arbeit als Träger am Berg.

Meter um Meter quälte sich jetzt der Jeep über eine übel zugerichtete, aufgeweichte Piste dem auf 1.395m gelegenen Machame-Gate entgegen. Endlich angekommen. Und welch ein Gewusel! Enttäuschung im ersten Moment. War das nicht die etwas anspruchsvollere, aber damit auch ruhigere Route? Vielleicht 10 Jeeps standen bereits unter den hohen Bäumen, an die 100 Träger und unzählige Berggänger wie wir bevölkerten den zerfurchten Platz vor dem park office. Es half nichts, wir reihten uns ein um unsere Parkgebühr zu bezahlen, was dann doch recht zügig vonstatten ging. Allerdings – die Parkgebühr muß in bar beglichen werden. Reiseschecks werden zwar auch genommen, aber Differenzbeträge nicht zurückgewechselt. Ein Umstand, der uns zusätzliche Dollar kostete, aber was zählt das schon, am Fuße dieses Berges! Stolz im Besitz unseres Permits konnte es endlich losgehen. Dachten wir. Doch noch war das Gepäck nicht gewogen. Maximum 25 kg pro Träger, peinlichst kontrolliert durch die Parkranger. Es hätte wohl noch eine ganze Weile gedauert, hätte uns Clemence nicht schon grünes Licht zum Start gegeben. ‚Ich hohle Euch ein’, lachte er, was wir ihm wohl glauben wollten. Und so schritten wir, in Begleitung unseres Kochs, wie wir später erfuhren, durch das Gate, endlich dem Berg entgegen, endlich, endlich…

 

 

 

  

 

 

Der 'Märchenwald' ist doch ein Regenwald !!

 

Recht steil war es von Anbeginn, was sich am heutigen Tag auch nicht mehr ändern sollte. Und so waren wir fast gezwungen, quasi mit den ersten Schritten unseren Steigrhythmus zu finden. Nichts war sekundärer als Geschwindigkeit! 2 Schritte einatmen, 3 Schritte ausatmen – unser inneres ‚Metronom’ für die nächsten Tage. Und ‚pole pole’ – langsam. Knapp 900 Höhenmeter zum Machame Camp auf 2290m lagen heute vor uns. Doch wer hätte auch rennen mögen, angesichts des immer dichter werdenden, geheimnisvollen Bergregenwaldes, der uns bald umgab. So wir es uns leisten konnten, lenkten wir unsere Blicke von dem ausgetretenen, von glitschigen Wurzeln übersäten Pfad nach oben und bestaunten diesen Märchenwald. An die 2000 Pflanzenarten, die man nur am Fuß des Kibo findet, glucksende Bachläufe, Riesenfarne, meterlange Bartflechten an den Bäumen. So stiegen wir langsam höher und bald brach uns der Schweiß aus den Poren. Eine erste kleine Rast nach ca. 2 Stunden, unser Koch zauberte Bananen aus seinem Gepäck, während uns leichtfüßig immer mehr Träger überhohlten. Danach wurde es noch steiler, der Pfad war inzwischen zum vielleicht noch einen Meter breiten Hohlweg ‚verkommen’, doch der Wald hatte nichts von seiner Faszination verloren. Und da ereilte uns das, worauf wir uns doch eigentlich vorbereitet wähnten. Ein kurzes, heftiges Rauschen im Blätterdach und keine 10 Sekunden später schüttete es unvorstellbar heftig. Zweifellos sind wir Regen gewohnt. Paddeltouren auf Mecklenburger Seen, die Vulkane und die Südinsel Neuseelands – all das hatte uns hart gemacht, dachten wir. Doch was sich jetzt in kürzester Zeit über uns ergoß war unvorstellbar! Zwar waren die Regenhosen ‚griffbereit’ oben auf im (!) Rucksack, die Jacken aufgeschnallt. Doch für all das schien keine Zeit. Nur keine nassen Füße, über 2000m trocknet hier nichts mehr. Und so zogen wir wie die Deppen die Hosen über unsere dreckverschmierten Schuhe – und hatten den ganzen feuchten Glipper an den Beinen. Zwischenzeitlich waren wir ‚obenrum’ schon ziemlich eingeweicht, egal, Regenjacke drüber, und der Regen wurde noch stärker! Nach tiefem Durchatmen konnten wir dann aber doch über uns lachen. Was soll’s – weiter ging es. Der Hohlweg hatte sich inzwischen zum Bachlauf gewandelt, braune Brühe kam uns vom Berg entgegen, stellenweise versanken wir mehr als knöcheltief im Dreck. Der Schlamm stollte an unseren Schuhen auf, bloß nicht noch ausrutschen und der Länge nach hinschlagen! So kämpften wir uns ca. eine weitere Stunde bergan – und hatten doch einen Riesenspaß. Als Erwachsener im Schlamm ‚spielen’, wo hätte man das denn sonst tun können, ohne sich ‚verdächtig’ zu machen…

Die erste Nacht unter dem Gipfel des Kibo

 

Irgendwann hörte der Regen auf, es wurde kühler, der Wald begann sich zu lichten und langsam brach die Dämmerung an. Ein Wasserfall, den wir leider nur hören konnten, kündigte nach 7 Stunden Gehzeit das nahende Camp an. Wir traten aus dem Wald und es empfing uns zum ersten Mal ein überwältigender Blick auf den im Abendrot glühenden Gipfel des Kibo. Unbeschreiblich schön schien er uns hier oben, in ‚seinem Reich’ willkommen zu heißen. Nur schwer konnten wir uns losreisen und suchten unseren, von den Trägern vorbereiteten, Lagerplatz für die Nacht. Jede Menge Zelte verteilten sich zwischen den moosüberzogenen Erikazeen-Stangen, etwas abseits fanden wir schließlich ‚unsere’ Truppe.

Nun hatte es uns der Ehrgeiz und vielleicht auch der Respekt vor der Arbeit der Träger geboten, wenigsten unser Zelt am Abend selbst aufzubauen, was zumindest am Anfang durchaus auf Verwunderung stieß. Somit lag noch einmal eine halbe Stunde Arbeit vor uns, bis wir uns behaglich eingerichtet hatten und ins ‚Dinnerzelt’, einer ziemlich abgerissenen 3-Mann-Behausung, gebeten wurden. Auch Clemence war inzwischen eingetroffen und genoß mit uns ein leckeres Abendessen.

An dieser Stelle muß ich voranstellen, dass unser Koch über die gesamte Zeit ein unglaubliches Geschick an den Tag legte, unter einfachsten Bedingungen mit nur einem Benzinkocher die schmackhaftesten Dinge, sowohl morgens, als auch abends, auf den nicht vorhandenen Tisch zu zaubern.

Auch lernten wir an diesem Abend erstmals unsere Träger kennen - 4 äußerst hilfsbereite, freundliche und doch sehr zurückhaltende, fast schüchterne Männer, 2 von ihnen wohl vom Chagga-Stamm, zu denen wir zwar leider nie einen sehr persönlichen Zugang fanden, die uns jedoch trotzdem sehr ans Herz wuchsen und von denen wir uns am Ende, ebenso wie von unserem Koch und von Clemence, mit wirklich schwerem Herzen verabschiedeten. Zumindest aus unserer Sicht können wir Berichte von Aufdringlichkeiten, vor allem in Bezug auf die Zahlung von Trinkgeld absolut nicht bestätigen.

Die Sonne war inzwischen untergegangen, es kühlte merklich ab und nach einer letzten Zigarette im spärlichen Licht unserer kleinen Kerzenlaterne zogen wir uns in die wohlige Wärme unserer Schlafsäcke zurück. Wir waren am Kibo!

ulf.hagen@web.de