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18.02.2003          Uhuru Peak (8.896m)/

Auf dem Dach Afrikas, am Ziel eines Traumes

 

'Probleme' beim Aufstieg

Pünktlich um 22:30 Uhr steckte Clemence seinen Kopf in unser Zelt. Er musste uns nicht wecken, wenn überhaupt hatten wir etwas vor uns hingedämmert, jetzt waren wir hellwach. Wir krochen aus unseren Schlafsäcken, es war kalt! Der Wind hatte eher noch zugenommen, und alles in allem gab es eigentlich nichts Verlockendes außerhalb unseres Zeltes – außer dem Gipfel!

Wir stiegen in unsere Thermounterwäsche und zum ersten Mal auch in unsere wattierten ‚Allwetterüberlebenshosen’. Vermummt traten wir vor’s Zelt, und sofort packte uns der kalte, inzwischen orkanartige Wind. ‚Ob das normal sei mit dem Wind’, rief ich Clemence zu. ‚Absolut normal, immer so’, antwortete er und lachte. Ein Schelm, wie sich noch herausstellte…

Es gab heißen Tee, und wenn ‚Lippe’ nicht so seelig geschlummert hätte, wären wir vermutlich um seine Haferflocken nicht herumgekommen.

So aber starteten wir Punkt 23 Uhr. Clemence hatte ca. 7 Stunden für die 1.356 Höhenmeter bis zum Erreichen von Uhuru-Peak veranschlagt, pünktlich also zum Sonnenaufgang, den wir irgendwo gegen Viertel nach Sechs erwarteten.

Clemence bat mich noch, seine Thermoskanne in meinem Rücksack verstauen zu dürfen, was mich wegen jeden kalkulierten Gramms Gewicht zunächst nicht sehr erfreute, sich aber bald als Segen erweisen sollte…

Wir marschierten hinaus in die Nacht, und bald befanden wir uns auf dem Kamm, der sich zum Kraterrand emporschwang. Jetzt waren wir dem Toben des Sturmes schutzlos ausgeliefert. In kleinen Serpentinen bewegten wir uns den Berg hinauf. Beim Gang nach rechts wurde der Wind zum erbarmungslosen Gegner, in der Gegenrichtung schob er uns förmlich nach oben. Was, wenn es weiter oben noch schlimmer würde?

Die Steigung war moderat, bald hatten wir unseren Steigrhythmus wiedergefunden und von Zeit zu Zeit wanderte der Blick nach oben zum Kraterrand, von wo das Weiß des Rebmann-Gletschers im fahlen Mondlicht das Ziel unseres nächtlichen Aufstiegs markierte.

Es mag nach ca. einer Stunde gewesen sein, als wir eine kurze Rast einlegten. Eigentlich ging es mir gut, außer einem ganz leichten Kopfdrücken, was ich eher der Anspannung als der Höhe zuschrieb, ging es mir hervorragend. Doch anders bei Christina. Sie klagte über zunehmendes Bauchdrücken, fühlte sich insgesamt nicht wohl und hatte, von mir unbemerkt, wohl schon länger mit Zweifeln gekämpft, ob dieser Zustand einen weiteren Aufstieg zuließe. Somit war die Lage ernst! Entweder beide bis zum Gipfel, oder keiner. Einsetzende Höhenkrankheit konnten wir nach kurzer Erörterung ausschließen. Blieb ‚irgendwas mit dem Bauch’, was aber ebenfalls den Gipfelerfolg bedrohen konnte, zumal die Ursache unklar blieb. Nach ungefähr 10 Minuten angestrengter Beratschlagung verschwand Christina hinter einem großen Felsbrocken. Was auch immer sie dort getan hat…, als sie nach vielen, unendlich erscheinenden Minuten, in denen Clemence und ich innerlich den Gipfel bereits aufzugeben drohten, zurückkehrte, verriet ihr Gesicht große Erleichterung. Sie ‚gestand’ deutlich Besserung, und nach dem Genuß von zwei, drei Powerriegeln und einer gehörigen Portion warmen Tees konnten wir unseren Aufstieg fortsetzen. Bei dieser Gelegenheit mussten wir feststellen, dass der Tee in den Schläuchen unserer Wassersäcke steinhart gefroren war. Im Nachgang erscheint es logisch, daß das passieren musste. Und doch stellte es in diesem Moment für mich eine ausgesprochen unangenehme Überraschung dar. Ich einfach nicht soweit gedacht – die Höhe oder einfach nur Dussligkeit? Oder beides in unheilvoller Allianz?? Egal, der Tee aus Clemences Thermoskanne brachte uns durch die Nacht, und jetzt war ich froh, diese zusätzliche Last tragen zu dürfen.

   

 

 

 

 

 

Oben !!

In eintönigem Rhythmus stiegen wir weiter aufwärts, uns von Zeit zu Zeit unseres Wohlbefindens versichernd. Der Gletscher schien keinen Meter näherzukommen, sodaß ich meine Blicke immer seltener nach oben lenkte. Der Wind tobte, vier, vielleicht fünf Stunden mögen vergangen sein, als wir endlich die Gletscherwand zu unserer Linken erreichten. Zum ersten Mal ein messbarer Erfolg unseres Vorankommens! Zum ersten Mal gestanden wir uns ein, den Gipfel erreichen zu können! Ich weiß nicht, wie lang es noch dauerte, bis auf einmal, überraschend, der Kraterrand erreicht war. Nach Stunden ging es plötzlich nicht mehr bergan, unfassbar! Stella-Point war erreicht!! Die Gefühle übermannten uns, der Versuch, sie zu beschreiben ist so vergebens wie unnütz. Hier erlebte ich mein ‚Gipfelglück’, der eher unspektakuläre Uhuru-Peak war mehr Statistik. Wir lagen uns in den Armen, immer und immer wieder, um uns keine Menschenseele. Nur der Wind heulte, und in der noch immer dunklen Nacht konnte man das großartige Panorama des Kraters erahnen. Dann schaute ich zum ersten Mal auf die Uhr. Es war noch nicht einmal halb fünf, der Sonnenaufgang also noch fast 2 Stunden entfernt. Doch bereits in den vielleicht 20 Minuten, die wir bisher am Stella-Point verbracht hatten, kroch uns die Kälte durch die dicken Sachen. Wir waren also nicht zu spät, sondern vielmehr zu früh am Uhuru-Peak, so man denn unbedingt dort den Sonnenaufgang erleben muß. Wir beschlossen keine Wartezeit von einer Stunde oder mehr im noch immer sehr kräftigen, kalten Wind zu riskieren, und kehrten zurück zum Stella-Point, den wir im einsetzenden Morgengrauen erreichten. Jetzt kamen uns größere Gruppen entgegen, aufgestiegen über die Marangu-Route. Langsam färbte sich der Horizont rot, tauchte die 5000 m unter uns gelegene Ebene in unwirkliches Licht. Das große, nördliche Eisfeld begann zu Glühen und wechselte nahezu minütlich die Farben. Es war ein begeisterndes Schauspiel, bis schließlich die Sonne am Horizont erschien. Jetzt endlich gab es ausreichend Licht für ein paar Fotos. Alle Versuche vorher scheiterten erwartungsgemäß am fehlenden, da zu schweren und darum zurückgelassenen Stativ.

Kurz vor dem Abstieg wechselte Christina noch den Film, was sich angesichts des anhaltend starken Windes und der in jede Ritze dringenden Staubkörner als fatal erwies! Ab diesem Moment fanden wir auf nahezu jedem Bild ‚Telegraphenleitungen’, also Kratzer auf dem Film durch eingedrungen Staubkörnchen, die selbst eine spätere professionelle (und teure!) Reinigung der Kamera nicht völlig beseitigen konnte.

Gegen sieben, nach also knapp 3 Stunden am Gipfel, begannen wir mit dem Abstieg. Er war eigentlich nur noch eine einzige staubige Angelegenheit. Für das von Clemence empfohlene, galoppartige Hinabspringen fehlte uns inzwischen die Kraft, vermutlich wären wir dann auf ungewollte Art noch vor Clemence im Lager angekommen… So ging es in kleinen Schritten, unter Zuhilfenahme unserer Stöcke dem Camp entgegen, wo wir gegen neun eintrafen unter begeistertem ‚Hallo’ von ‚unserer Truppe’ empfangen wurden. Es war ehrliche Freude, fast schon Begeisterung, die uns entgegenschlug und in vielfachem Schulterklopfen und schließlich mehreren Pötten heißen Tees ihren Ausdruck fand. Wir waren so glücklich wie fertig! Mit weichen Knien krochen wir ins Zelt und fielen mit einem unsagbar glücklichen Gefühl binnen Sekunden in tiefen Schlaf.

Abstieg zum Mweka-Camp (2.800m)

Wir gönnten uns eine Stunde Schlaf. Nicht wirklich erholt, aber noch immer im Hochgefühl des Gipfelerfolges packten wir schließlich unsere Sachen und begannen den langen, mühsamen Abstieg zum knapp 1.800m tiefer gelegenen Mweka-Camp. Binnen einer Stunde trafen wir wieder auf erste Heidestöcke, immer weiter blieb der Kibogipfel zurück. Clemence hatte die Weltpolitik als ideales Gesprächsthema für den Abstieg entdeckt und füllte demonstrativ längeres Schweigen meinerseits (ich war einfach fertig!) mit endlos langen Monologen. Ich war ihm nicht wirklich böse, und so erreichten wir nach einem ‚kurzen’ Abriß der Zeit zwischen Deutsch-Ostafrika und dem drohenden Irakkrieg schließlich nach rund 6 Stunden das Camp. In den letzten 19 Stunden waren wir 1.300m auf- und rund 3.000m abgestiegen. Trotzdem ließ uns die ausgelassene Heiterkeit dieses Rastplatzes unsere Müdigkeit noch einmal vergessen. Irgendwie waren wir auf einmal nicht mehr allein (die Mweka-Route dient als Abstieg für mehrere Aufstiegsrouten), aus einigen Zelten drang fröhlicher Gesang (was mich bei anderer Gelegenheit zur Flucht veranlasst hätte..), überall standen Bergsteiger, Träger, Guides und schwatzten, tauschten die Erlebnisse der letzten Tage aus. Alle beseelt vom gleichen Glücksgefühl, den höchsten Berg Afrikas bezwungen zu haben. Und als ich im extra für diese Anlässe eingerichteten ‚Bierlager’ des Camps eine Runde (die Flasche für 5 Dollar, was soll’s!) für unsere Mannschaft erstand und die mitgeschleppten ‚sportsmen’-Zigaretten verteilte hatten auch wir unsere kleine ‚Privatparty’. Mit etwas ‚runden Schuhen’ entschlummerten wir schließlich am Ende dieses unfassbar großartigen Tages.

 

ulf.hagen@web.de