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28.02.2003               Nach Kigoma am Tanganjika-See

 

Als wir am Morgen des 28. Februar auf die Fähre in Mwanza rumpelten, lagen die letzten ‚touristischen Infrastrukturen’ hinter uns und rund 600 km Fahrt durch tiefe afrikanische Provinz vor uns. Die einzige Übernachtungsmöglichkeit schien sich auf halber Strecke in Kibondo zu ergeben, entsprechend wollten dort mit Einbruch der Dunkelheit eintreffen. Die Weiterfahrt nach Kigoma, entlang der Grenze zu Burundi, erschien uns bei Tageslicht ratsamer, weshalb wir sie für den nächsten Tag geplant hatten. Doch dann kam alles ganz anders…

 

Es begann damit, dass wir die erste Fähre in Mwanza, welche gegen 8 Uhr auslief, verpassten. Somit setzten wir erst gegen 10:30 Uhr über und trafen knapp eine Stunde später am anderen Ufer ein. Keine halbe Stunde unterwegs, zwang ein platter Reifen zur ‚Pause’. Trotz Zeitdruck ließen wir ihn unterwegs an der Strecke reparieren, eine weise Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte. Eine akzeptable Piste führte über Bwanga, Runzewe und Nyakanazi durch abwechslungsreiche Landschaft. Mal dichte Wälder, hin und wieder kleine Dörfer, keine unangenehme Reise. Trotzdem wurde es immer später, und wir trafen erst nach Sonnenuntergang in Kibondo ein. Irgendwie war uns diese ‚Stadt’ nicht so recht geheuer. Hektisches Treiben in den Straßen, alles wirkte ziemlich heruntergekommen. Die einzige Tankstelle nutzten wir zum Auftanken und erhofften uns vom Tankwart einen Tip für eine preiswerte Unterkunft. Nach langem Überlegen fiel ihm ein kleines ‚guesthouse’ ein, welches wir nach seiner Beschreibung aufzufinden versuchten, vergebens. Da wir auch sonst keinen Hinweis auf irgendeine Beherbergungsmöglichkeit fanden, und die Suche nach einem sicheren Zeltplatz in der Dunkelheit aussichtslos schien, beschlossen wir nach eingehender Beratschlagung, unsere Fahrt die Nacht hindurch fortzusetzen. Ein Dach über dem Kopf war nicht aufzutreiben, Campen nicht möglich und eine Nacht schlafend am Pistenrand erschien uns mindestens genauso riskant, wie die Fortsetzung unserer Fahrt. Wir ließen also den ganzen Trubel hinter uns, legten am Stadtrand noch eine kleine Rast ein und nahmen dann die rund 250 km Piste, die uns noch von Kigoma trennten, in Angriff. Bei einem kalkulierten Stundenmittel von 50km hofften wir, unser Ziel nach 5 – 6 Stunden zu erreichen.

 

Gang rein und Aufbruch! Doch keine 100m, dann zwang uns ein verdächtig bekanntes Geräusch schon wieder zum Halten. Plattfuß! Diesmal hinten links. Hatten wir noch nicht. Von unseren beiden Ersatzreifen blieb uns nun schon mal nur noch einer. Und das bei 250 km Nachtfahrt durch eine unruhige Gegend, die noch vor uns lagen. Die Grenzregion, in welcher noch immer zigtausende Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ruanda und Burundi in großen Lagern Zuflucht finden, gilt weiterhin nicht als die sicherste. Noch einmal überdachten wir die Situation, doch die Entscheidung war gefallen.

 

Mi einem ziemlich mulmigen Gefühl verschwanden wir in der Nacht, und schon bald erwies sich unser Zeitplan erneut als reine Theorie. Die Piste war in einem derart miserablen Zustand, dass allerhöchstens und auch nur gelegentlich 30km/h die Spitzengeschwindigkeit darstellten, wollte man nicht auch noch einen Achsbruch riskieren. In mondloser Nacht reduzierte sich die Sicht auf den Ausschnitt des Scheinwerferkegels unseres Eisenschweines. Die Tiefe der Schlaglöcher war dabei nicht einzuschätzen, beim Ausweichen eines vermeintlich tiefen Kraters stürzten wir häufig in einen noch ungleich tieferen, um dann beim Gegenlenken auch noch in eine der zahlreichen Querrinnen zu krachen. Hin und wieder  tauchte eine einsame Hütte am Pistenrand auf, dann wieder nur Busch, Strauchwerk und immer wieder große Schilder mit dem UNO-Emblem als Hinweis auf ein abseits gelegenes Flüchtlingscamp. Als böse Falle hatte ich inzwischen die häufig auf der Piste liegenden Akazienzweige ausgemacht. Die Hirten benutzen sie über den Tag zum Viehtrieb, was nicht mehr gebraucht wird, bleibt liegen. Die langen, spitzen Dornen erweisen sich dann als effiziente Reifenkiller.

Ich teilte mir die Nacht in 50 km – Abschnitte. Ein ums andere Mal dauerte es fast 2 Stunden, bis ein solcher hinter uns lag. Als es dann irgendwann auf die letzte Etappe ging, es war so gegen 4 Uhr am Morgen, kehrte auch wieder etwas Zuversicht zurück, dass diese grausame Holperei einmal ein Ende haben könnte. Doch just in dieser Laune verabschiedete sich erneut ein Reifen. So schnell es irgendwie ging, zogen wir in der Dunkelheit unser letztes Ersatzrad auf. Jetzt musste es halten, oder einer von uns beiden müsste die letzten (rund 50!) Kilometer zu Fuß zurücklegen..

Am Ende dieser chaotischen Nacht sollte uns jedoch ein einmalig schönes  Schauspiel versöhnlich stimmen. Irgendwann, nachdem wir einen kleinen Höhenzug passiert hatten, zeichnete sich am pechschwarzen Horizont eine schier unendliche Kette aus hunderten kleinen Lichtern ab. Hier und da tauchten neue auf, andere verschwanden. Ein faszinierender Anblick, unwirklich, bis wir begriffen, dass wir die Ufer des Tanganjika erreicht hatten und von oben auf das nächtliche Treiben der Dagaa-Fischer schauten. In mondlosen Nächten ziehen sie mit ihren Booten auf den See und locken mit kleinen Laternen Süßwassersardinen in ihre Netze, die dann in getrockneter Form tonnenweise verkauft werden. Wir hatten unser Ziel erreicht, zumindest greifbar nah lag es vor uns, auch diese Nacht sollte bald ein Ende haben.

 

Im ersten Licht des anbrechenden Tages lag dann Kigoma zu unseren Füßen. Nach dem hektischen Treiben in Mwanza, dem düsteren und heruntergekommenen Kibondo und der chaotischen Fahrt durch die finstere Nacht erschien uns das zwischen sanften Hügeln gelegene ‚Städtchen’ wie ein kleines Paradies am Ende der Welt. Wir fuhren durch die noch verlassenen Straßen hinunter zum See. Von der geplanten Quartiernahme in der ‚Aqua Lodge’ hielt uns zunächst ein unmittelbar gegenüber ratterndes kleines Dieselstromkraftwerk ab. So fuhren wir weiter, einen kleinen Hügel hinauf zum ‚Kigoma Hilltop Hotel’, sicher das erste Haus ‚am Platze’. Der Wärter am Eingangstor schlummerte noch und staunte dann nicht schlecht, über so früh eintreffende Gäste. Sehr freundlich und umsorgend wurden wir jedoch aufgenommen und lagen schon bald in den bequemen Betten eines Bungalows mit weitem Blick  über den See. Geschafft!!

 

Für Nachahmer sei angemerkt, dass ich auch rückblickend keine andere Empfehlung geben kann, als diesen Abschnitt der Reise einfach zu ertragen. Bei früherem Start in Mwanza (den ich unbedingt empfehle!) kann man Kibondo sicher noch bei Tag erreichen. Vielleicht wirkt es ja dann vertrauenserweckender und es lässt sich doch ein akzeptable Unterkunft organisieren. Ansonsten kommt man um die Nachtfahrt nach Kigoma nicht herum. Augen zu und durch – und mindestens (!) zwei intakte Ersatzreifen im Auto!

01.03.2003               Die Suche nach dem Hafenmeister, ein fehlender Versicherungsschein und friseurmeisterliche Amtshilfe

 

Wir schliefen bis in den späten Vormittag, nahmen ein herzhaftes Frühstück ein und gingen daran, den weiteren Fortgang unserer Reise zu organisieren. Es war Samstag, wir planten einen 2tägigen Ausflug in den Gombe-Park für Montag und Dienstag, am Mittwoch sollte uns die MV Liemba gen Süden bringen.

Diese Fahrt mit der Liemba stellte den eigentlichen Knackpunkt unserer Reise dar. Sollte es uns nicht gelingen, die Mitnahme unseres Eisenschweines zu organisieren (die spärlichen Informationen zur Mitnahmemöglichkeit von Geländewagen auf diesem fast 90 Jahre alten Schiff waren allesamt sehr wage), blieb uns nur die Umkehr. Eine befahrbare Landverbindung nach Süden entlang des Sees existiert nicht, die Fahrt durch Zentraltansania versprach wenig Reizvolles und hätte den Zeitplan gesprengt. Es musste also gelingen, unseren Geländewagen an Bord dieses Schiffes zu bringen. Die Fahrt sollte dann knapp 600 km bis nach Mpulungu in Sambia am Südende des Sees gehen, von wo wir nach einem Abstecher zu den Kalambo Falls wieder nach Tansania zurückkehren wollten.

Wir benötigten also: 

1.  Zwei Personentickets

2.  Eine Mitnahmemöglichkeit für Eisen-schwein

3.  Eine ‚Temporary Exportation Form’ vom Zoll für die vorübergehende Ausfuhr unseres Autos nach Sambia

Zunächst begaben wir uns auf die Suche nach  dem Hafenmeister. ‚Sicheren' Informationen zufolge befand er sich im alten deutschen Bahnhof, also dorthin. Nach kurzer Besichtigung dieses beeindruckenden Kolonialbaus, der so gar nicht in diese Ecke der Welt passen wollte, scheiterten wir ein erstes Mal. Keiner kannte den Hafenmeister. Ob er denn am Hafen säße? Nein, aber im Zollgebäude die Straße hoch. Ganz sicher. Wir also zum Zoll, welcher in einem schmucklosen Neubau residiert. Kein Hafenmeister. Aber immerhin kannten wir nun schon den 2. Anlaufpunkt dieses Tages, benötigten jedoch zuvor den Hafenmeister! Wir fuhren nun doch zum Hafen, fragten ein gutes Dutzend Leute und standen schließlich vor einer flachen Baracke. Darin – der Hafenmeister! Die Frage nach der Verfrachtung unseres Eisenschweines, welche uns am meisten bewegte, beantwortete er mit einem schulterzuckenden ‚no problem’. Das ging mir dann doch zu schnell, und ich wies drauf hin, dass es ein etwas größeres Fahrzeug sei. ‚No problem’. Was will man dann die Probleme herbeireden? Wenn alles ohne Probleme geht, dann sollten wir uns freuen! Wir taten dies und erwarben 2 Tickets 1. Klasse für uns und ein Frachtticket für Eisenschwein. Mit größter Erleichterung betrachteten wir die Frage nach dem Fortgang unserer Reise als gelöst!  

Als nächstes führte uns der Weg zurück zum Zoll. Kahle, nüchterne Gänge, Zweckbau, fast wie daheim. Allein, eine ‚Temporary Exportation Form’ war gänzlich unbekannt. Also umschrieben wir unser Anliegen und wurden zu einem netten jungen Herrn ins Büro geschickt. Je mehr er unser Anliegen verstand, umso verzweifelter wurde er. Mit einem tansanischen Auto, per Schiff, nach Sambia, und dann auch noch wieder zurück! Warum?! Haja, hatten wir uns halt so gedacht. Nun gut. Er rief eine Kollegin, die das Heft des Handelns an sich riß. Bitte die Versicherungsbestätigung. Die was?? Wir durchforsteten alle Unterlagen, wir hatten keine. Auch im Vertrag stand, wie ich jetzt feststellte, nichts dergleichen. Dabei hatte ich doch mit ‚evergreen’ im Vorfeld genau darüber ausführliche Korrespondenz geführt! Nun gut. Erstmal Formular ausfüllen, das kann nie schaden. Aber es gab keine Formulare mehr! Die beiden suchten gewiß eine Viertelstunde, fanden aber lediglich ein letztes, bereits ausgefülltes. Auch nicht schlimm. Ich erhielt so etwas wie Tipex und die Aufforderung, die alten Angaben zu überpinseln, was ich akribisch tat. Kaum fertig legte unser Beamter das Formular auf den Kopierer, dann, batz, wurde es dunkel, die Ventilatoren standen still, Stromausfall! Unser junger Freund, wenig erstaunt, sprang auf und entschuldigte sich für wenige Minuten. Er verließ das Gebäude und durch’s Fenster sahen wir ihn auf der anderen Straßenseite in einem Friseurladen verschwinden. Kurz darauf kam er, triumphierend eine Kopie schwenkend, zurück. Der Friseurmeister gegenüber besaß nicht nur einen Kopierer, sondern, wie praktisch, auch noch ein Notstromaggregat dazu. Offensichtlich hatte sich diese Form der Amtshilfe schon oft bewährt. Im weiteren füllte ich nun die Kopie des Formulars aus, und nach einer weiteren halben Stunde wähnten wir uns am Ziel. Unsere Beamten wähnten gleiches, denn sie erklärten das ausgefüllte Formular zur ‚Temporary Exportation Form’ und verlangten vor dem Abschluß dieses behördlichen Aktes lediglich noch die Hinterlegung der original Fahrzeugpapiere. Nun ja. Der Originale, wohlgemerkt. Ich dachte mir, dass diesen Papieren selbst in Afrika die gleiche Bedeutung zukommt, wie bei uns daheim, und schloß die Übergabe somit kategorisch aus. Es wäre doch nicht so schlimm, gab man uns zu verstehen. Wenn wir zurück kämen aus Sambia, dann einfach noch mal schnell in Kigoma vorbeischauen und die Papiere wieder abholen. Ich war kurz vor dem Zusammenbrechen! So ging das nicht!! Alle waren sehr verzweifelt, und wir beschlossen, die Lösung des Problems zu vertagen. Für den kommenden Tag wurde uns eine Audienz beim Zollamtschef in Aussicht gestellt, der bestimmt eine ‚Lösung’ fände. Ich hatte einen Verdacht, wie diese aussehen könnte. Beim Verlassen des Gebäudes liefen wir dann einem älteren, vornehm gekleideten Herrn in die Arme, der Zollchef. Er legte seine Hand auf meine Schulter und versicherte, dass sich immer eine Lösung finden ließe. Wir dankten und zogen von dannen.

Am Abend telefonierte ich für teures Geld mit ‚evergreen’ in Dar. In völliger Konfusion, wo es uns denn wohl hinverschlagen hätte, gab man uns doch zu verstehen, dass wir keine Versicherung für das Ausland hätten, das Risiko somit bei uns läge. Damit stand fest – nix Sambia, nix Kalambo Falls, es gibt schlimmeres.  

Inzwischen war es Nachmittag, und wir begaben uns noch auf kleine Erkundungstour in Kigoma. Der erste Eindruck täuschte nicht. Es war eine kleine, gemütliche, übersichtliche Stadt, drei Hauptstraßen, ein paar kleine Geschäfte, betuliches Treiben. Die schattenspendenden Mangobäume, wie sie im Reiseführer beschrieben waren, gab es allerdings nicht mehr. Nur noch riesige Wurzelstümpfe am Straßenrand erinnerten an sie. Ansonsten traf man häufig auf die blauen Geländewagen von UNO-Mitarbeitern, die über Kigoma die Hilfe für Ruanda und vor allem den Kongo organisieren. Spätestens dann wurde einem bewusst, dass diese kleine, vermeintlich relativ heile Region Afrikas nur wenige Kilometer weiter endete. Gerade zu dieser Zeit spielten sich im Osten des Kongo grausame Massaker ab, was uns aber erst später, nach unserer Rückkehr, durch entsprechende Nachrichten bewußt wurde.  

Als der Abend hereinbrach, schauten wir noch in der ‚Aqua Lodge’ vorbei. Völlig problemlos gelang uns dort die Organisation eines Bootes für den übernächsten Tag, welches uns zum rund 20 km nördlich gelegenen Gombe Stream Nationalpark bringen sollte. Somit fand auch dieser ‚Behördentag’ ein versöhnliches Ende. Wir zogen uns in unser ‚Hilltop’ zurück und verbrachten den Abend und den nächsten Tag einfach mal mit Nichtstun, Aussicht genießen und dem Schreiben von Kartengrüßen an die lieben Freunde in der Heimat.

 

 

ulf.hagen@web.de