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Wie gesagt - am Anfang standen die Berge. Ziel war der Cotopaxi, mit knapp 5.800 Metern der höchste aktive Vulkan. Und mit dem Leichtsinn der Ahnungslosen liebäugelten wir sogar noch mit dem Chimborazo, dem Höchsten der Eisberge, 6.300 Meter!

 

Erste ‚Zwangs’-Akklimatisierung nach der Landung in Quito. 2.800 Meter, von Null (oder eben 348 Meter Meereshöhe, so hoch immerhin liegt Jena…), das kann man schon als Sprung bezeichnen!

 

Mit dem Mietwagen sollte es dann zu den ersten Zielen in den Bergen gehen. Immer ein Stück höher, die Luft immer ein bissel dünner.

 

Quilotoa – ein riesiger, wassergefüllter Krater auf  knapp 4.000 Meter Höhe. Auf der Fahrt dorthin lernten wir zum ersten Mal das Andenwetter kennen. Regen, Regen und immer wieder Regen – am Ende hat es uns die Piste weggespült, und wir verbrachten die Nacht im Auto. Für einen kurzen Vormittag dann endlich einen prachtvollen Blick auf den spektakulären Kratersee, erste Kraxeltouren an den Hängen der Caldera, bevor wieder alles im Nebel versank.

 

Danach zu den Ilinizas. Ein Zwillingsberg südlich von Quito, der Nordgipfel ‚leicht’ zu begehen und immerhin schon 5.100 Meter hoch. Die Tour wurde hart, der Aufstieg über eine Schulter mit vollem Gepäck führte durch eine unangenehme, mehlige Mischung aus frischem Schnee und feinem Sand. An der Schutzhütte angekommen kapitulierten wir vor einem halben Meter Neuschnee auf dem Biwakplatz – und übernachteten in der Hütte. Die wenigstens hatten wir für uns ganz allein (ob’s am Wetter lag…?) Kein Gipfel am nächsten Morgen. Die beiden (‚immer eis- und schneefreien’) Routen durch die Südwand und einen Grataufbau tief verschneit. Kein Gelände, in das wir uns als ‚Greenhorns’ hineintrauten. Aber schön war es trotzdem – erste Aussicht auf die Höhenzüge der Anden, trotz schnell aufziehender Wolken.

Diashow 'Quito bis Iliniza'

 

Der Cayambe – erster ‚richtiger’ Eisriese und mit 5.790 m fast so hoch wie der Cotopaxi. Hier waren wir zum ersten Mal in Begleitung von Abraham, unserem Bergführer. Der beste Führer Ecuadors! Nein, das wissen wir natürlich nicht. Aber für uns war er es ganz sicher. Hoch professionell und erfahren. Dabei auf angenehmste Art gelassen und doch sehr gewissenhaft. Immer da, ohne aufdringlich zu sein, immer lustig, und dabei doch kein animateurartiger Spaßhansel. Es passte einfach…

Doch auch Abraham konnte nichts ausrichten gegen die Launen des Wettergottes. Drei Tage verbrachten wir am Berg. Diesmal im Zelt, trotz Sturm, trotz Eis und Schnee und trotz einer einladenden Hütte, die aber wenigstens Platz zum Aufwärmen und Kochen bot (bereits bei unserer Ankunft hatte der Sturm Abrahams Küchenzelt in Einzelteile zerlegt…).

Der Ausläufer des Gletschers immerhin lag etwas geschützt, und so brachte uns Abraham erste Grundlagen für das Gehen am Seil, das Bewegen im Gletscher und den Gebrauch der Steigeisen bei. Am Ende erklommen wir unsere erste Steileiswand!

Die Erkundungstour zum Einstieg in die Gipfelroute brachte dann die Enttäuschung – zuviel Neuschnee auf altem Harsch in den letzten Tagen, das Lawinenrisiko am Gipfelaufbau zu groß, kein Aufstieg möglich.

 

Blieb noch immer der Traum von einem Gipfelsieg am Cotopaxi! Jener eisbedeckte, und doch immer wieder feuerspuckende Riese, der sich majestätisch im Süden von Quito auf fast 5.900 Meter aufschwingt. In den Schlot des höchsten aktiven Vulkans der Welt schauen – was für ein Ziel!

Die Vorzeichen waren widersprüchlich. Auf der Fahrt zu unserer Herberge, dem ‚Quello de Luna’, zum ersten Mal kein Regen! Und sogar – der erste freie Blick auf den Berg selbst!! Seinen Gipfel hüllte er noch in Wolken, aber das, was er uns bereit war zu zeigen, war bereits atemberaubend…

Am nächsten Tag dann sogar blauer Himmel. Vom ‚Quello’ aus bot sich ein fabelhafter Blick zum Berg, majestätisch erhob er sich ins unendliche Blau, die Gletscher glitzerten in der Sonne. Aber am Gipfel eine dichte Wolkenkappe. Und durch das Fernglas konnten wir erkennen, mit welcher rasender Geschwindigkeit die Wolken über die Bergspitze zogen. Kein gutes Zeichen…

Eine Gruppe Bergsteiger brach an diesem Tag vom ‚Quello’ aus zum Berg auf. Australier, Brasilianer, Amerikaner – und alle mit großer Bergerfahrung, wie wir ihren Gesprächen am Abend zuvor entnehmen konnten. Benno, ein Schweizer Bergführer, wähnte den Gipfel sicher. Bis sie zurückkamen, am nächsten Tag. Geschlagen, ohne Gipfelsieg, aus dem Hang gepustet vom tosenden Sturm. Kein gutes Zeichen…

Wir starteten bei Sonnenschein. In Abrahams Geländewagen rumpelten wir durch das zerfurchte Hochland am Fuße des Cotopaxi. Eine stille, schöne, karge Landschaft, sturmgepeitscht, je höher wir kamen.

Der letzte Anstieg dann zur Hütte gab einen Vorgeschmack auf das, was vor uns lag. Starker Wind verwandelte die Asche von den Hängen des Vulkans in einen Sandstrahler! Im Eiltempo legten wir die 300 Höhenmeter bis zur schützenden Hütte zurück und bezogen Quartier. Gegen Abend flaute der Wind etwas ab und es begann leicht zu schneien. Ein gutes Zeichen?

Unser Angriff auf den Gipfel begann in der Nacht um 1 Uhr. Es war nicht sehr kalt, vielleicht 5° unter Null, der Wind hatte sich fast gelegt, noch immer schneite es leicht. Mit uns machten sich drei weitere Seilschaften auf den Weg, alle kamen gut voran in der ersten Stunde auf dem Weg zum Einstieg in den Gletscher, auf dem es dann steil, mit bis zu 45° Steigung zunächst hinauf geht bis zu ‚Janasatscha’, einer riesigen, schwarzen Felswand, die drohend aus dem Eismeer der Gipfelpyramide ragt. Nach einem ‚Flachstück’ folgt dann noch einmal ein steiler Anstieg mit bis zu 60% Neigung, welcher auf direktem, aber ungemein kraftzehrendem Weg zum Gipfel führt.

Stück für Stück arbeiteten wir uns also den ersten steilen Anstieg nach oben. Wir gingen in zwei Seilschaften. Der Pos zusammen mit Freddy, einem zweiten Bergführer, der uns auf der Hütte erwartet hatte. Christina und ich folgten Abraham. Das Wetter zeigte sich inzwischen wieder von seiner üblen Seite. Der Wind war zurück und wurde mit jedem Meter, den wir höher stiegen stärker. Der Schneefall war einem unangenehmen, gefrierenden Nebel gewichen.

Trotzdem ging es uns gut. wir machten alles richtig, wie man so sagt. Langsam steigen, Schritt für Schritt, bald überholten wir die erste Seilschaft. Zwei Schweizer, sie gaben kurz danach auf, einer von beiden zeigte Symptome der Höhenkrankheit. Nach vielleicht zwei Stunden die erste Rast. Was mir nicht gefiel – Pos folgte Freddy in einem Tempo, was ich für zu schnell hielt. Zeitweise waren beide außer Sichtweite, wollte der Pos den Berg hinauf rennen?? Dann sahen wir, dass Freddy fror! Das war der Grund für das unsinnige Tempo. Konnte das gut gehen? Es war kalt, ja, so kalt, wie es eben ist, auf inzwischen vielleicht 5.000 Meter. Der Nebel gefror auf der Kleidung. Eine zunehmend dickere Eisschicht überzog die gesamte Kleidung. Wir hatten Mühe, unsere Rucksäcke zu öffnen, um an die warmen Getränke zu kommen. Abraham drängte zum Weitergehen. ‚Not save’ diese Rast mitten im Anstieg.

Also weiter aufwärts. Nach vielleicht 4 Stunden erreichten wir die ‚Ridge’, die etwas flachere Passage vor dem Gipfelanstieg. Sie kam mir in keiner Weise flacher vor, als das zurückliegende Stück, aber hier war es ‚save’, und wir legten eine weitere Rast ein. Der Eispanzer war inzwischen auf mehrere Millimeter Dicke angewachsen, die Kapuzen saßen wie Helme auf unseren Köpfen, die Verschlüsse unserer Rucksäcke ließen sich nur noch mit äußerster Mühe oder gar nicht mehr öffnen. Und – weitaus schlimmer – die Karabiner zur Sicherung am Seil ließen sich nur noch nach mühsamer Entfernung einer halbzentimeterdicken Eisschicht bedienen. Das sah alles nicht gut aus. Als es dämmerte, betrug die Sicht keine 50 Meter mehr, jeder Schritt war ein Kampf gegen den tosenden Wind. Doch das Tageslicht gab auch die Sicht frei auf eine der faszinierendsten Landschaften, die ich je gesehen habe. Bizzare Eisgrotten an überhängenden Gletschernasen. Riesige Spalten durchzogen die Schneedecke. Schmale Pfade führten durch ein wahres Labyrinth aus Fels und Eis. wir waren in einer anderen, einer fremden Welt… Um weiter vorzudringen, musste eine der Gletscherspalten gequert werden. Vielleicht 5 Meter breit, zog sie sich wie ein Burggraben den Hang hinauf. Die Tiefe war nicht abzuschätzen, der Spaltengrund nicht zu sehen. Eine einzelne Schneebrücke, nicht mehr als einen Meter breit, bot die einzige Möglichkeit zum Übergang. Sie war an diesem Morgen noch unberührt, keine Fußspuren, auch die anderen Seilschaften hatten irgendwann in der Nacht das Handtuch geworfen. Wir waren die einzigen hier oben an diesem Morgen… 

Kurz darauf forderte der Berg auch bei uns Tribut. Christina fand es besser umzukehren. Noch fühlte sie sich gut, und wollte diese Kraft für den nicht weniger beschwerlichen Abstieg nutzen. Mit Abraham an ihrer Seite war ich sicher, dass sie gut zur Hütte zurückfinden würden. Und vielleicht habe auch ich zu dieser Zeit nicht mehr recht an den Gipfel geglaubt. Das schwerste Stück lag noch immer vor uns. Die steifgefrorenen Handschuhe ließen kaum noch Bewegungen zu, der Inhalt unserer Rucksäcke war nahezu unerreichbar geworden, die Schnallen dick vereist. Der Wind hatte sich definitiv entschieden, ein Sturm zu werden – und es wohl auch zu bleiben.

So verabschiedeten wir uns, Abraham und Christina verschwanden im wabernden Nebel, und ich legte einen atemraubenden Sprint ein, um zu Pos und Freddy aufzuschließen, die mal wieder außer Sicht waren. Vielleicht noch eine Stunde stiegen wir dem Gipfel entgegen. Dann beschlossen auch Pos und ich die Umkehr. ‚No way’, wie uns Freddy versicherte. Ob es ihn nur zurück in die wärmende Hütte zog – wer weiß das schon. Wir trafen die Entscheidung für uns – jeder Schritt weiter hätte die gesunde Rückkehr gefährdet. Der Berg wollte auch an diesem Tag den Gipfel nicht preisgeben.

Wieder am Gletscherfuß angekommen hatten wir die Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wir waren ausgelaugt, das stete Gefälle kostete im Abstieg mindestens ebensoviel Kraft wie im Aufstieg. Pos begann, alle Vulkane zu verfluchen. Und in der Tat ist der Preis für das Besteigen eines solchen grandiosen ‚Kegels’ eben genau dieses pausenlose Hinauf- und Hinabkraxeln an schier unendlichen Steigungen.

Es gibt keine Photos aus jener Nacht, beide Kameras gaben schon im ersten Anstieg ihren Geist auf. Der gefrierende Nebel legte sich augenblicklich über die Gehäuse, die Akkus gaben wegen der Kälte ihren Geist auf. Ein Fluch der digitalen Technik. Und ein Lehrstück für künftige Touren. Und so beginnt der ‚dokumentierte’ Teil unserer Tour erst wieder mit den Bildern unserer Rückkehr, die Christina vor der Hütte schoß. Zwei ‚Yetis’ - vereist, ausgepowert, vom Berg ‚geschlagen’, aber gesund und – trotzdem glücklich!

In der Hütte heißer Tee, ein paar Riegel zur Stärkung, noch ein Stündchen Ruhe und jede Menge zu erzählen mit all den anderen, die sich in der zurückliegenden Nacht am Berg versucht hatten. Am Ende hatten wir uns doch am höchsten gekämpft, waren oberhalb von ‚Janasatcha’ auf rund 5.500 Meter als unsere Entscheidung zur Umkehr fiel. Nun doch noch etwas Stolz, auch ohne Gipfel.

Dann der Abstieg zum Auto, noch zwei Stunden Fahrt, und unser ‚Quello’ hatte uns wieder.

 

Es war jetzt genug mit den Bergen. Der Chimborazo grüßte am Abend aus der Ferne. Kein Ziel mehr für uns. Nicht in diesem Jahr. Wir hatten noch ein paar Tage, dann musste der Pos zurück nach Deutschland. Wie war das mit Amazonien…?

 

Und der ‚Rest’ des Landes? Amazonas – ja, soll auch sehr schön sein. Die Sierra – das Hochland am Fuß der großen Vulkane, die Spuren der Inkas, die alten Kolonialbauten der Spanier, sicher alles auch sehr interessant. Und Galapagos? Bestimmt ganz toll – aber 1.000 Kilometer vor der Küste und nicht zu bezahlen.

 

 

 

ulf.hagen@web.de